Autorin Stefanie Kloft

Kann Hochsensibilität krank machen?

Nein. Hochsensibilität per se macht nicht krank. Stress allerdings, Leistungsdruck oder nicht meiner Veranlagung entsprechende Erwartungen, traumatische (Kindheits-)Erfahrungen oder Ablehnung meiner Andersartigkeit können sehr wohl krank machen.

Nach meinem Bachelor-Studium bin ich als pädagogische Mitarbeiterin bei einem christlichen Verein eingestiegen. Auf dem Papier Teilzeit, mit Kopf und Herz Vollzeit. Der „Soziale Brennpunkt“ war ab sofort nicht nur mein Arbeitsplatz, sondern auch mein Zuhause. Ich bin heute wie damals überzeugt davon, dass es für gewisse Punkte gut war, auf Arbeit einzuziehen (ich wohne mit meinem Mann über unserem Jugendclub). Aber ich hatte jahrelang keine Strategie, wie ich es schaffe, abzuschalten. Urlaub zu haben hieß automatisch weg zu fahren. Denn zuhause frei zu machen fühlte sich nicht an wie frei. Ich war ja trotzdem auf Arbeit. Mit einem Ohr bei den streitenden Kindern vor dem Fenster. Auf dem Weg zum Einkaufen trotzdem verfügbar für gesprächsbedürftige Mitarbeiter. Die Kollegen immer nebenan. Arbeit wurde zum Leben, Leben zur Arbeit. Und „nebenbei“ war ich Seelsorger und Mentor für Freunde und Familie. Ich war mit Herzblut dabei. Aber dass das nicht gut gehen konnte, war abzusehen.
Nach drei Jahren bekam ich anhaltende Verdauungsprobleme. Nach fünf Jahren dann die Diagnose „Fruktoseintoleranz“. Vielleicht ausgelöst durch eine Antibiotika-Behandlung, auf alle Fälle begünstigt durch Stress. Dann kamen Rückenschmerzen dazu, Schlafstörungen. Im Winter jagte ein Infekt den nächsten. Mein Mann empfahl mir, eine Auszeit zu nehmen, aber das wollte ich nicht. Die anderen schafften das doch auch. Er schaffte das doch auch. Also wollte ich das auch schaffen. Im Frühling 2017 entschied ich mich schließlich doch für eine Auszeit. Aber erst wollte ich noch unser alljährliches Zeltlager, den Höhepunkt des Sommers, mitmachen. Natürlich ohne dem Team vorher zu sagen, wie es mir ging. Die anderen schafften das doch auch. Also wollte ich das auch schaffen.
Im anschließenden Urlaub in Italien kam der Zusammenbruch. Ich weiß noch, wie ich am Meer saß und weinte, weil ich nicht nach Hause fahren wollte.
Ich habe vier Monate gebraucht, um in meiner Auszeit anzukommen. Zurück zu meiner Energie und meinem Elan für die Sozialarbeit ist noch ein gutes Stück Weg. Heute glaube ich, ich bin sehenden Auges in einen Burnout geschlittert. Weil ich helfen wollte. Weil ich mithalten wollte. Grundsätzlich ist weder helfen noch engagieren gesundheitsgefährdend. Überreizung allerdings schon.

Hochsensible Menschen sind schneller überreizt als normalsensible Menschen. Warum das so ist, kannst du hier nachlesen.
Der Spiegel des Stresshormons Cortisol ist dauerhaft erhöht und sinkt nur langsam, auch wenn ich mich bewusst entspanne. Zum einen heißt das, ich brauche nach einer genau gleichen Tätigkeit länger zum Regenerieren als mein nicht hochsensibler Mann. Zum anderen führt ein erhöhter Cortisolspiegel langfristig zu Infektanfälligkeit, Schlafstörungen, Tinnitus und im Extremfall zu Burnout.
Außerdem arbeiten meine Spiegelneuronen („Zellen für emotionale Empathie“) anders. Not oder Leid meines Gegenübers wird im Gehirn verarbeitet, als wäre ich selbst davon betroffen. Um diesem hohen emotionalen Reiz entgegenzuwirken ist räumlicher Abstand hilfreich und die Fähigkeit sich abzugrenzen unabdingbar. Eine langfristige emotionale Überreizung mit Not, der ich nichts entgegenzusetzen habe, kann krank machen. Auch Ablehnung, nichtgelebtes Potential, Gewalterfahrungen oder unverarbeitete Trauer sind belastende emotionale Reize, die verarbeitet werden müssen. All diese Faktoren können grundsätzlich zu Krankheiten wie Depressionen führen und stehen für sich genommen mit Hochsensibilität nicht in Verbindung.
Wenn wir uns aber bewusst werden, dass der Körper von Hochsensiblen seit der Geburt anders verarbeitet und filtert, wundert es nicht, dass Stresserkrankungen oder Depressionen mit Hochsensibilität in Verbindung gebracht werden.

Das sind ja schöne Aussichten… Bin ich mit der Tür ins Haus gefallen? Ich hoffe nicht, denn ich will dir keine Angst machen, sondern Mut. Mut, die richtigen Weichen zu stellen, bevor es zu spät ist. Zu dir und deinem Potential zu stehen. Mut, dir deine nötigen Freiräume und Strukturen zu schaffen. Dich selbst lieben zu lernen, denn so wie du bist, bist du richtig!

„Im Frieden mit den Erwartungen Anderer zu leben heißt, Krieg mit sich selbst zu führen.“

Wie dieses Zitat von Ehepaar Lüling, Leiter der christlich orientierten Familienarbeit „Team F.“, in einem ihrer Bücher so treffend beschreibt: Andauernder Krieg gegen meine hochsensible Veranlagung macht mich krank – und damit ist keinem geholfen.

Nimmst du die Warnsignale deines Körpers wahr? Bist du es dir wert, für dich und deine Gesundheit zu sorgen?

Bleib dir treu!
Deine Stefanie

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