Autorin Stefanie Kloft

Von Königen und Affen

Ich habe begonnen, mich freizuschwimmen. Aus eingefahrenen „das-ist-halt-so“-, „das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht“- oder „ich-weiß-es-aber-besser“-Strukturen. Ich kann gar nicht mehr sagen, womit das eigentlich angefangen hat, aber plötzlich finde ich mich wiederholt inmitten von Machtkämpfen wieder, die ich doch gar nicht führen wollte. Denn Hinterfragen von eingefahrenen Zuständen oder Aufzeigen von Missständen kann bei Menschen das Gefühl auslösen, jemand rüttle an ihrem Thron. Oder schlimmer noch, jemand sägt womöglich schon an den Beinen! Dabei möchte ich ihren Platz gar nicht übernehmen. Mir geht es nur um – ja, worum geht es mir eigentlich?

Ich habe als hochsensible Person immer wieder die Erfahrung gemacht, dass ich feine Antennen für Recht und Unrecht, für das Wohlergehen meiner Mitmenschen und ungesunde Prozesse habe. Das ist Gabe und Herausforderung in einem. Wann sage ich etwas und zu wem? Welchen Schuh ziehe ich mir an und welchen nicht?
In jedem Fall möchte ich hochsensiblen Menschen Mut machen, dem eigenen Gespür, den eigenen Eindrücken zu trauen. Wenn andere nicht das Gleiche fühlen, bedeutet es nicht, dass deine Eindrücke falsch sind. Überhaupt geht es nicht um richtig und falsch. Naja, zumindest meistens nicht, aber dazu später mehr.

Ich bin im Laufe der letzten zwei, drei Jahre zu einer für mich interessanten Erkenntnis gekommen: „Der Klügere gibt nach“ ist nicht immer die richtige und hilfreiche Strategie. Aber welche Alternativen gibt es? Nicht nachgeben? Aufgeben? Ganz genau.
Unter Nachgeben verstehe ich in diesem Zusammenhang, dass ich dem anderen Recht gebe und mich seinem Willen oder seiner Meinung beuge, häufig um den Frieden zu wahren oder die Auseinandersetzung zu beenden. Das ist meistens auch gut, aber manchmal kann es fatalen Folgen haben.
Wenn ich nicht nachgebe bedeutet das, ich halte dagegen und begebe mich in ein Kräftemessen, durchaus energiezehrend aber mit offenem Ausgang.
Aufgeben heißt hier nicht, die Flinte ins Korn zu werfen und gekränkt abzuziehen, sondern einen Schritt zur Seite zu machen, den Platz zu räumen und so die Auseinandersetzung ins Leere laufen zu lassen. Aber ohne sich selbst und den eigenen Standpunkt bzw. die eigenen Erkenntnisse zu verraten.

Wie diese unterschiedlichen Strategien sich auf eine Situation auswirken können, möchte ich euch an einem Beispiel verdeutlichen. Vor einiger Zeit bin ich Zeugin eines Missstandes geworden, bei dem junge Menschen körperliche und seelische Schäden davongetragen haben. Da ich ausgebildete Pädagogin und damit quasi vom Fach bin, war es mir wichtig, sowohl fachlich als auch menschlich diese Situation zu klären. Aber damit begann ich ungewollt, am Thron der Verantwortlichen zu sägen, weil ich ihre „das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht“-Strategie hinterfragt habe. Ich bin mit der Überzeugung, im Recht zu sein (meines Erachtens lag eine klare richtig-falsch-Situation vor), in die Konfrontation gegangen, auf keinen Fall nachgeben war die Devise! Warum? Nicht, weil ich Recht haben wollte, sondern weil mein Nachgeben den Opfern, die ihr Vertrauen in mich setzten, signalisiert hätte: ihr habt Unrecht. So schlimm kann es doch nicht gewesen sein.
Doch meine nicht-nachgeben-Strategie ging nicht auf, da mich meine Gegenüber am ausgestreckten Arm verhungern ließen. Sie redeten zwar über mich (und das nicht unbedingt wertschätzend), aber nicht mit mir.
Also bin ich zu dem Entschluss gekommen, aufzugeben. Die kräftezehrende Konfrontation zu beenden und in Kauf zu nehmen, dass keine gemeinsame Lösung gefunden wurde. Aber dabei keinen Millimeter von meinem Standpunkt abzurücken. In dieser Situation bedeutete aufgeben auch, den Tätern weniger Aufmerksamkeit und den Opfern mehr zu widmen. Über diese Zeit hinweg das Vertrauen in meine eigene (hochsensible) Wahrnehmung zu behalten, war nicht leicht. Oft üben Menschen in ihrer Verteidigungshaltung einen diffusen Druck aus und verhalten sich manipulativ, sodass man irgendwann beginnt, an sich selbst zu zweifeln. Und dann möglicherweise nachzugeben. Spätestens da ist es ratsam, einen Schritt zur Seite zu machen und so aus der Schussbahn zu gehen.

Aber was hat das jetzt mit Königen und Affen zu tun?
Die Entscheidung Nachgeben-Nicht Nachgeben-Aufgeben ist alles andere als leicht. Wann verhalte ich mich wie? Ich habe für mich solche Machtkampf-Auseinandersetzungen ganz schlicht in zwei Kategorien geteilt. Dabei möchte ich betonen, dass die Bezeichnung dieser Kategorien sich nicht auf die Menschen, sondern auf die Idee dahinter bezieht!

Könige
„Den König spielen immer die anderen.“ Das ist eine schlichte wie tiefgreifende Erkenntnis für mich gewesen. Dieser Satz kommt aus dem Theater – man kann dem größten Laien einen Königsmantel umhängen und ihn auf die Bühne stellen, aus dem Verhalten der anderen Schauspieler geht hervor, dass er der König ist.
Bei sogenannten „Königen“ handelt es sich um Menschen, denen ich mit meinem Nachgeben mehr und möglicherweise ungerechtfertigte Macht verleihe. Das kann sogar so weit führen, dass ich, nur um ihrem Druck zu entgehen, dem Unrecht Recht gebe. Besonders wenn es um mein Wohlergehen und das meiner Mitmenschen geht oder wenn ein wichtige Aufgabe zu scheitern droht, ist es wichtig, dem Druck stand zu halten oder aus dem Königs-Spiel auszusteigen um sich und andere zu schützen oder die eigenen Werte nicht zu verraten.

Affen
„Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen.“ Diesen Spruch habe ich mal auf einer Postkarte gelesen und er hat mir so aus dem Herzen gesprochen. Diese Situationen, wo es um Machtspiele geht, die nervig sind, aber niemandem schaden. Jemand möchte gern alle Aufgabenbereiche einer Veranstaltung verantworten, weil man wichtig sein möchte? Bitte, solche Menschen dürfen gern ihre eigenen Erfahrungen mit Überforderung machen. Rechthaberei, zwischen die Fronten gezogen werden, falsche Verantwortung übergeholfen bekommen – all diese Bereiche sind für mich mit nachgeben oder aufgeben verbunden. Wenn es mir irgend möglich ist, lasse ich mich nicht dazu einspannen, die Konflikte anderer zu lösen oder mich auf eine Seite schlagen zu müssen. Ein Schritt zur Seite, um aus der Schusslinie zu kommen, keine unnötige Energie verschwenden. Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen.

Erfahrungen und Erkenntnisse verändern sich. Jetzt gerade fahre ich mit diesen Gedanken im Hinterkopf ganz gut. Ist es immer einfach, die richtige Entscheidung zu finden und zu treffen? Mitnichten. Aber es lohnt sich, seine eigenen Erkenntnisse zu Königen und Affen zu sammeln. Und vor allem, sich selbst zu vertrauen!

Fällt es dir leicht, deiner Wahrnehmung zu trauen? Kannst du für dich und deine Werte einstehen?

Bleib dir treu!
Deine Stefanie

Teilen mit Liebe

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert